WdkK'17 - Der Dienstag:

Soul-Mates!
Nach dem Jazzabend mit Monsun-Intermezzo versprach das Dreiecksteam Sonnenschein & Soul – wobei zwar die Soundchecks ansprechend beschienen waren, die Bands jedoch mit Regenschirmen zum Gutenberg-Dinner geführt werden mussten. Geboten wurde dann aber so viel mehr als nur Soul: nämlich Funk, Avantgarde, Gitarrenrock, R&B, Swing, Samba, Musical, Sixties-Pop – all das mit einem Klima-Timing, das weitere Regentropfen erst weit nach der letzten Zugabe geschehen ließ.

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Basso
Ein Name wie eine Comedy-Show. Dabei hatten doch Keyboarder und Gitarrist der Popolski-Show längst abgeschworen, die von der Legende lebt, dass Michael Jackson und Madonna sich ihre Hits billig in Polen zusammengeklaut haben. Aber Tastenmann Daniel heißt tatsächlich Basso, und ebenso wie Axtmann Mirko von Stiphaut (Marla Glen, David Garret) hat er sich nun nicht nur ausgefuchstem Funk verschrieben, sondern untermauert langjährige Erfahrung auch noch mit Eigenkompositionen.
Gleich bei „Opposites Attack“ („Das war ganz am Anfang der Name der Band“) liefern Basso hinter der warmen, unaufdringlichen Stimme ihres Namensgebers entspannt Spannendes ab: von Stiphaut agiert zwar mit virtuosem Solo, aber es wird deutlich, dass der Maschinenraum von Martin Furmann und Don Daniel Sanleandro Fernández ebenso entscheidend zum Gesamtbild beiträgt. „Do You Call It Love“ bearbeitet laut Mr Basso „eine alte Beziehungsgeschichte“, während „More Than Just Romance“ auf gefälligen Seventies-Soul hinausläuft – „die Korrektur vom despektierlichen „More Than Just A Woman“ scheint angemessen. „Raggedy“ führt amtlichen Funk ins Klangspektrum, man fühlt sich angenehm an Gary Boyle und Level 42 erinnert.
In „Bays“ überrascht Daniel Basso dann mit sanfter, gestopfter Trompete; in „Looper Solo One Day“ löst er mit packend angelegten Vokal-Schleifen das Avantgardeversprechen ein, während Bass & Drums mit sanften Synkopierungen, dann zunehmend treibend für Publikumsbewegung sorgen. „Get Off“ verbindet von Stiphauts beherzte Robin-Trower-Entwicklungen an der Wah-Wah-Gitarre mit Scat-Gesang – die Zugabe „One Time Is One“ gibt sich soulig-träumerisch. – Ruhrrocker auf internationalem Niveau.

Madeline Bell & Band
Hans-Hermann Strandt kündigt nach der Umbaupause (noch) nicht Madeline Bell an, sondern „sympathische Niederländer“, die sanft-ausgeschlafenen Swing präsentieren: "I've Never Been In Love Before" Hans Dekker, den geschmackssicher-sensiblen Drummer der WDR Big Band in Mel-Lewis-Tradition, Edwin Corzilius, einen souveränen Kontra-Bassisten mit profunden Limerick-Kenntnissen, und den poetisch pianierenden Gentleman, welcher der Formation ihren Namen gibt: Lex Jasper Trio. Nach ihrer Eröffnung gesellt sich Frits Landesbergen am Vibraphon für eine ausgelassene Latin-Nummer dazu: "You Stepped Out Of A Dream", liefert gleich so ausgelassen ab, dass man ihm zurufen möchte „Spar Dir was auf für Madeline!“ Die wurde von Ihrem Chronisten eingeführt, der ihr seit dem dreizehnten Lebensjahr zuhört und Miss Bell 1991 in der Bielefelder Oetkerhalle erstmals ausführlich zu Konzert, Interview & Plauderei begegnete.
Nach einer ausverkauften Woche im Londoner Ronnie Scott’s Club und „35 Kreuzfahrten in weniger als zweieinhalb Jahren“ hatte sich die kleine, große Madeline nachmittags beim Check eher sportlich schick gezeigt – um halb zehn trug sie einen glitzernden Hosenanzug in knalligstem Rot, der sogar manch abgebrühten Las-Vegas-Svengali geblendet hätte. Nicht so unseren Lichtzauberer Frank Stiller, der die Bühne flugs in ein derart genial korrespondierendes Purpur taucht, als sei an der visuellen Präsentation ellenlang gefeilt worden. „Ich hab‘ mich einfach während der beiden Instrumentals auf die Atmosphäre eingestellt“, zuckt Stiller bescheiden. Wenn das stimmt, ist er noch besser.
Madeline Bell stakst mit ihrem entwaffnenden „Ziemlich beste Laune“-Lachen auf die Bühne und legt „With A Little Help From My Friend“ swingend vor. Offensichtlich nicht nur, weil die Beatles – von denen sie drei seinerzeit Backing-vokal stützte – als sichere Bank gelten, sondern weil der Songtext Programm ist: Ihre Jungs kennen sich alle seit 40 Jahren (Edwin: „Dabei bin ich erst 45!“) und sind wirklich die begabtesten, Herz-erwärmendsten und witzigsten, die sie zwischen Amsterdam und Schiphol finden konnte, wo sie tags zuvor aus Malaga eingetroffen war.
„Diese nächste Nummer schrieb Georgie Fame für uns – kennt ihr Georgie Fame? Ich nenne ihn meinen Bruder!“ Es klatschen weniger Menschen, als 2005 und 2009 G.F. hier erlebt haben müssten, aber „The Blues And Me“ verzaubert die Menge dennoch – eingesungen hat die aus Newark stammende langjährige Wahl-Londonerin ihn unter anderem für ihr gemeinsames Musical SINGER: Besonders Landesbergen trägt am Vibraphon zu der träumerischen Melancholie des Songs bei.
Madeline scheint nach 55 Jahren noch immer besessen von ihrer Musik – bringt beim „One Night To Follow Blues“ Ladies zum Tanzen, kurbelt Landesbergens Vibraphon mit großer Geste an, animiert Hans Dekker zum kantigen Solo oder schaut Lex Jasper beim beseelten Klavierspiel neugierig über die Schulter, um sich mit dem breitesten Lächeln zwischen Manchester und Malaga wieder ihrem Publikum zuzuwenden. Ihrem „absoluten Lieblings-Singer/Songwriter Stevie Wonder“ widmet sie „For Once In My Life“ – zum Vergleich bietet sich auf YouTube die 1968-er Version ihres „Bruders“ Georgie Fame mit Cilla Black an.
„Somewhere Over The Rainbow“ erleidet einen winzigen Fehlstart – „Ich hab‘ den falschen Text gesungen“, lacht sie den Fauxpas ausgelassen weg, um die viel strapazierte Nummer dann um einiges ergreifender zu bringen als praktisch die komplette Konkurrenz. Der zwischen zwei Tönen changierende Mittelteil des Standards sorgte bereits beim Soundcheck für ausgelassene Heiterkeit, als ausgerechnet während dieser Passage ein vorbeifahrender Streifenwagen sein Martinshorn mit dem identischen Notenbild ertönen ließ und Bassmann Edwin nur noch raunen musste „Listen – the bridge“, um Madeline einen Lach-Flash zu bescheren. – Die „One Note Samba“ mit Zwei-Noten-Publikumsbeteiligung riss die Dreiecksgemeinde aus ihrer Romantik, dirigierte Auditorium wie Musiker: „I showed them ALL how to do it!“ Der Träumerei durfte man sich aber mit dem nur vom Vibraphon begleiteten „September Song“ wieder zuwenden, ehe die Bell mit „Open Your Eyes“ über Ratschläge ihrer Großmutter  noch einmal richtig rockig aufdrehte.
Zur Zugabe war das swingende B.B. King und Chicken Shack

Schlachtross "Every Day I Have The Blues" die einzige Möglichkeit, vor der Sperrstunde 23:00 Uhr von der Bühne zu kommen – mehr Drama oder Humor hätten alle weiter auf dem Platz gehalten. Und wer glaubte, Madame Bell hätte sich nach ihrer Tour-de-Force erschöpft gegeben, wurde backstage eines Besseren belehrt: Die als Backing-Sängerin für Cocker und Climax Blues Band („An die erinnere ich mich gar nicht“) über Donovan und Humble Pie zu Elton John und den Rolling Stones für fast alle ins Studio ging, signierte gefühlte 399 Vinyl-Alben für ihre älteren Jünger und plauderte dabei auch noch charmant und angeregt, Selfies en masse inklusive. Wir sind eben alle ihre Soul-Mates, auch wenn sie nächste Woche 75 wird. – Ganz schwer zu toppen!

Uli Twelker für die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz