WdkK'18 - Der Dienstag:

Von Sønderho nach Soho
Dänen und Briten haben viele Gemeinsamkeiten – hohe Musikalität gehört unbedingt dazu – aber bei “Unseren“ bedienen sich die Skandinavier im hohen Norden (waren die Wikinger in Schottland oder die Schotten in Jütland?), die Brits in der Karibik (aus der ihnen Kolonial-Jamaikaner den ansteckenden Off-Beat in die Londoner Clubs und Wohnzimmer lieferten).

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Helene Blum & Harald Haugaard Band
Wir kennen himmlische Violinen und Teufelsgeiger. Harald Haugaard verbindet beides mit dem Charme des jungen Hugh Grant. Wie er neben Kirstine Elise Pedersen – “Dänemarks schönster und bester Cellistin“ – und Gitarrist Mikkel Grue im stetig an Speed gewinnendem Jig korrespondiert, bis auf’s i-Tüpfelchen durcharrangiert – ist schon frappierend. „Eine große Ehre“ dann der Auftritt Helene Blums: Edel im langen Schwarzen, leuchtet sie beim Singen (wirklich) von innen, intoniert, beschwört und betört mit klarer Stimme und leiser Weisheit. Derart, dass sich wohlfeile Vergleiche verbieten. Sie schafft Augenkontakt sowohl zu ihren Mitmusikern  als auch immer wieder zum Auditorium, feuert die Band mit funkelndem Lächeln an, vermittelt Stories hinter den Songs (“Sven ist mit einem Riesen im Wald: Was kann dunkler sein als die Nacht? Gedanken natürlich.“) Helene Blum verzaubert mit nordisch Keltischem, lässt Pedersen lang ausgedehnte “drone notes“ wie einen fernen gregorianischen Männergesang spielen – die Band lädt aber auch die Menge zur Teilhabe an jenen Klängen ein: „Ihr seid unsere Dudelsack!“ Dazu legt Drummer Sune Rahbeks subtile Rhythmik – die Sechzehntel mit Jazzbesen auf seiner Snare treffen auf Sven Grundtvigs stets einfühlsamen Kontrabass – auch beim Rat des Dichters Sophus Claussen, dass ein Tropfen Tinte schnell zum “lille drȧbe blod“ wird. Schreiben als Waffe, Musik als Versöhnung und Werbung für Europa, denn wer will irisch/schottische Einflüsse verhehlen? Nach dunkleren Klängen versöhnt nicht zuletzt der Radiohit “Friheden Station“ – Freiheitsbahnhof! Blum in typisch lakonischer Bescheidenheit: „Es war kein Riesen-Radiohit, aber wenn man sowas schafft, zählt jede Stunde!“ Bei ihr und ihrem Ensemble zählte wahrlich jede zauberhafte Minute.

Ricky Cool & The In-Crowd
Dem dürren Ricky ist unter‘m eckigen Fats-Domino-Bürstenschnitt sofort klar: Das 3-Eck ist “My Kind Of Party“: Speisen, Drinks, tolle Leute, Live-Druck. Sein blutjunger Drumming-Derwisch Harry Weston-Cotrell (22, eine schwindelerregend agierende Akrobatik-Mischung aus Keith Moon und „“Animal“ von den Muppets, ohne Alk & Speed) sowie John Roy Potter (b, ex-Unit 4 Plus 2) peitschen als sau-tighte Rhythm Section durch R&B, Ska & Jamaican Folk, dass die Leute staunen wie selten. Auf diesem Maschinenraum toben sich David Perry (g), Nigel Darvil (org) und das Gebläse aus Ricky Cool & Ted Bunting mit dem Look smarter Schutzgeldeintreiber genüßlich aus. Mal spielt die traumhafte Alto-Bariton-Sektion der beiden bei “Time Is Tight“ eine Melodiebrücke, wo bei Booker T. damals eine Gitarre reichen musste. Dann wiederum tönen die beiden im spanisch gesungenen Ska “Esterella“ wie einst die gefälligen Saxe eines Billy Vaughan, augenzwinkernd verbrämt, und von Weston-Cotrell schnell mal mit Santana-haften Timbales aus der Gemütlichkeit gehauen. Frontmann Ricky, 69, arbeitet sich erschöpfend ab, schafft mit “Bebop-A-Lula Rock-A-Hula-Boogaloo“ eine Mitwippwelle per verlockender Bequemlichkeit: Sitztanz. Nebenjobs: Cool bedient etwa in Muddy Waters‘ “I Feel So Good“ auch eine böse Bluesharp, Saxer Bunting gefällt nicht nur bei “The Coconut Question“ mit Querflötenklängen, die man gar nicht auf den West Indies verortet hätte. Launig auch der “Prince of Cool“ neben dem Chef Cool: Axt-Akteur Perry in Basketballergröße betört mit Trojan-Trilby und intoniert 2-stimmige (2-Tone?)-Weisen wie “You’re Wondering Now“ – und Georgie Fames “Yeh Yeh“ als halsbrecherischen Blue Beat. Vor allem aber: 1500 groovende Best-Ager auf Holzbänken wissen jetzt, wie die Milch in die Kokosnuss kommt. Fazit: Das brennt. Das muss wiederkommen.

 

Uli Twelker für die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz