WdkK'18 - Der Mittwoch:

Missus Bluesrock & Salsa-Masterclass
Die beiden Städte mit den meisten Wasserstraßen des Kontinents liefern attraktive Gegenpole: Das Hamburger Quintett verpasst einem seit den sechziger Jahren vertrauten Stil packende Facetten und frische Songs. Der Amsterdamer Achter zelebriert Lakonisches und Lava der Tropen virtuos jazzig, in einer faszinierend zu beobachtenden Bühnen-Kommunikation, die in 25 Jahren, zahllosen Konzerten und 19 Alben wuchs. Der Regen stoppte von 8-11. Magie.

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Jessy Martens & Band
Die Stimme der kleinen Gigantin mit dem Baby im Bauch – sie ist keine sprichwörtliche Röhre. Eher ein geschliffener Rohdiamant: James Bond hätte ihren Vocal Coach angewiesen: „Klar, nicht geraut!“ Wer Jessy Martens mit ihren Songs zwischen “Undercover“ und “By Your Side“ zuhört, spürt sofort – die liebt das nicht nur, die hat Reserven. What doesn’t kill you, makes you “Stronger“: der Opener stellt gleich klar, dass Mid-Tempo-Nummern ihre Stärke sind. “Tricky Thing“ – Albumtitel, Tourmotto und Song – heißt das Bemühen, ihren Jungs Einfluss zu sichern – und ist ein Blues, welcher uns pro Takt einen Beat entzieht: Wer bis fünf zählt, ist klar im Vorteil. Gitarrist Dirk Czuya liefert 2-Stimmigkeit und setzt gekonnt Akzente, die Martens‘ Gesang dosiert untermalen und bei Riffs, Wah-Wah und Soli punkten, Klischees meiden. Christian Adameit (Bass) und Mosch Schröder (Hammond & E-Piano) erweisen sich als einfallsreiche Teamplayer, Christian Kolf agiert an den Drums beherzt, nutzt Toms für reizvolle Akzente. “Hush Now“ – bezwingend, beschwörend – wirkt als Jessys Bestechendste unter den melancholischen Melodien. Bei der Gospel-souligen “Little Mama“ – ganz programmatisch gewählt – gibt sie mal einmal die wild Intonierende, ohne Mikro – um das Publikum sodann mit Call & Response in ihren Scat-Gesang einzubauen. Torschlusspanik ganz positiv schließlich in “One Minute“. Alle stehen. Adrenalin pur.

New Cool Collective
Nach wenigen Takten “La Rana“ Reggae-Groove reagieren Körper und Seele umgehend: Gab es jemals in meinem Leben Zeitdruck? Was zwei Perkussionisten (Jos de Haas, Frank van Dok) und Drummer Joost Kron sparsam an verzahnter Rhythmik legen, verzaubert Akteure wie Hörer. Benjamin Herman an Tenor-, Alt- und Sopran-Saxophonen, David Rockefeller – Trompete und Posaune – sowie die rasant-relaxte Gitarre von Rory Ronde entfalten sich auf diesem Teppich. Leslie Lopez, der „100% puerto-ricanische Bass“, vollendet den Sound. Es ist diese Melange vermeintlicher Gegensätze – Trance & Thrill – die uns den Zauberern in Richtung Äquator folgen lässt: “Skint“ entwickelt ein karibisches Flair, bei dem sich alle die zweite Frage des Abends stellen, ob sie sich ich schon jemals im Leben geärgert haben. Und sie nutzen ihre Fortbildung des Vorabends: Sitztanz. “Limakwa“ sorgt durch Sopran-Sax für arabische Atmosphäre, und betört uns so, dass wir auch im heutigen Marrakesch angstfrei abtanzen mögen. Wir hören heiße Akzente auf den Congas, Drum-Fills ohne Ende und einen schnellen Salsa-Exkurs. Nach dem preisgekrönten Soundtrack zu “Devastated“ geht es mit “A R Ping Talk“ in den tropischen Regenwald: Wilde Trommel-Akzente, exotische Gesänge und eine gestopfte Trompete verzaubern. Respekt! „Skalypso“ meandert zwischen genau diesen Rhythmen, und “Max“ zeigt die Disziplin dieses Oktetts: auf wilde Drums & Bläsersätze folgen wie von Geisterhand dirigiert sanftes E-Piano und Congas. Zur Zugabe, Chopins “Marche Funebre“ als Ska zelebriert, fehlt nur noch der Seufzer: Genial. Dieses in 25 Jahren gewachsene, kaum fluktuierende Orchester wirkt so intensiv als Lebenselixier – man sollte es auf Rezept bekommen, live oder als eines der bisher neunzehn Alben.

 

Uli Twelker für die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz