WdkK'19 - Der Dienstag:

Geheimnisvoller Dienstag – ein Jazzabend mit Überraschungen
Ein großes Geheimnis lag über der diesjährigen Woche der kleinen Künste. „Web Web“, die Supergroup des 70er Jahre-Jazz, trifft auf einen ungenannten Superstar des Pop. Echo-Preisträger, mehrfach platinveredelt, eine große Nummer also. Wer ist dieser außergewöhnliche Sänger, der die Allstarband verstärken soll? Die Musikfans spekulieren noch am Montag auf Facebook: Kommt etwa Udo Lindenberg? Oder Sascha? Oder Max Mutzke?

Es ist der andere Max, dessen Namen der Newsletter an alle Mitglieder um 11.37 Uhr preisgibt. Max Herre. Und der zieht eine große Anzahl jüngerer Besucher auf die Wiese. Die erleben ihr Idol von seiner ganz speziellen Seite, fernab von Klischees. Als vielfältigen Musiker, der sich nahtlos in freie Jazz-Arrangements einfügt, der dabei dem Hip-Hop eine perfekte Bühne bietet. Doch das Konzert fordert von ihnen eine gehörige Portion Toleranz und Geduld. Dazu später mehr.

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Dennerlein / Haffner Duo – die Dame gibt den Ton an.

Am Dienstagabend kommt es zunächst zum Wiedersehen mit zwei bei der Woche äußerst beliebten Künstlern: Wolfgang Haffner und Barbara Dennerlein. Im Duett von Schlagzeug und Elektroorgel zeigen beide musikalische Glanzleistungen, die in Erinnerung bleiben werden. Vor allem die Dennerlein, deren Füße akrobatisch auf den Basspedalen tanzen, deren Hände kreuzgreifend über die Tasten gleiten, dominiert weitgehend den Auftritt. Haffner arbeitet hingegen feinfühlig, eher unauffällig und sehr teamorientiert, meldet sich seltener mit seinen bekannten Donnerschlägen und Wirbelstürmen zu Wort. Stattdessen behält er seine Partnerin im Blick, treibt sie – wenn nötig – voran und gibt ihren Improvisationen den benötigten Raum zur Entfaltung.
„Jimmies Walk“, eine Hommage an das Orgelgenie Jimmy Smith, gerät beiden zu einem lebendigen Zwiegespräch, zum Eingrooven. Bei „Summer Day“ möchte man die Künstlerin gern auf einer längeren Wanderung – vielleicht durch die Provence? – begleiten und dort auf duftenden Wiesen rücklings in den Augusthimmel schauen. Lieber, als in einer ostwestfälischen Gerade-Großstadt bei weit über dreißig Grad schwüle, staubige Luft aus der Nase zu schnäuzen. Aber wollen wir die bevorstehenden Konzerte auf dem Platz verpassen?
Barbara Dennerlein kommt uns entgegen. Mit der Komposition „Going Home“ verbindet sie als häufig Reisende das Gefühl, zu Hause zu sein, mit solch netten Menschen „und Veranstaltern wie hier. Zu Hause ist dort, wo das Herz ist,“ ruft sie den Besuchern zu und scratched fröhlich auf den Registern ihrer alten, handgemachten Hammond B3. Nach einem Schlagzeugsolo Haffners ist dann nicht mehr viel Zeit für die geforderte Zugabe. Bei „Tamburo“ (Die Trommel) zieht sie deshalb das Tempo an – für das Stück bleiben ihr nur noch drei Minuten.

Web Web ft. Max Herre
Weltpremieren auf dem Dreiecksplatz: Roberto di Gioia und Max Herre treffen sich von Zeit zu Zeit und experimentieren mit vielfältigen Musikformen. Dabei entstanden vor Jahren bereits Jazzstücke, für die Herre aus unterschiedlichen Gründen keine Texte fand. Bei der Woche der kleinen Künste wurden jetzt einige ans Licht gehoben: Zu erleben war innovativer Worldjazz, durchsetzt mit Hip-Hop-Elementen, und ein Max Herre, der zwischendurch auch das Mikrofon mit den Tasten des Fender Rhodes tauscht.

Christian von Kaphengst grummelt mit seinem Kontrabass vor sich hin, setzt tiefe Akzente auf seinem Moog-Synthesizer. Und Drummer Peter Gall treibt den Jazzzug vor sich her, bis die ostwestfälischen Beinwipper ins Schleudern kommen. Im fünfzehnminütigen Intro, bei dem Herre noch nicht auf der Bühne steht, wird von ihnen ein Freejazz zelebriert, wie er vor fünfzig Jahren in den Metropolen dieses Landes angesagt war. Brutal atonal, mit hohem Speed, in endlosen Melodiebögen.

Dieses Experiment hätte so auch schief gehen können. Saxofonist Tony Lakatos überbläst sein Instrument in schrägste Klangbilder. Doch der immer wieder aufkommende Groove des Hip-Hop schmeichelt sich langsam in die Stimmung vor und auf der Bühne ein. Herre würzt dieses Free-Jazz-Konzert mit Songs seines Repertoires: „Lass gehen“ und dann im Zugabeteil den zwanzig Jahre alten Freundeskreis-Hit „Anna“. Spätestens damit versöhnt er den Teil des Publikums, soweit es dem Freejazz weniger aufgeschlossen gegenüber steht. Alle anderen sind sowieso begeistert.

 

Und sonst? Anekdoten vom Tage.
Im Backstage gab es vitaminreiche Trauben. Danke, Ingrid.

Sarah Nicholson, Chorsängerin bei Hannah Williams & the Affirmations, muss der Band, die heute Abend auf der Bühne steht, nachreisen. Sie hatte ihren Pass vergessen, musste deshalb umkehren.

Platzunikum „Samuel“ hatte einen schlechten Tag – wir wünschen gute Besserung.

 

Wolfgang Hein  für die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz