WdkK'21 - Der Mittwoch:

Von Drum & Didgeridoo zur Softfunk-Virtuosität samt Stimmwunder  

Klar: Voyager IV und Kraan hatten beim WdKK-Dienstags-Debüt die Kreativ & Klang-Standards hoch gehängt. Mit den Analogue Birds sowie Rüdiger Baldauf‘s Trumpet Night All Stars und ihrer zauberhaft intonierenden Vokalistin Silvia Dias wurden hohe Erwartungen erneut übererfüllt – musikalische Kleinode am Fließband, transparenter, dosiert-dynamischer Sound und eine attraktive visuelle Präsentation gingen eine harmonische Melange ein, schlugen das sichtlich geflashte 3-Ecks-Publikum in ihren Bann. Und das Wetter hielt: die vorher vielfach „geflitschten“ Bänke blieben trocken!

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Analogue Birds                                  

Es begann sparsam-spacig, machte neugierig: Drummer David Bruhn erweckte seine Cymbals, Tom Fronza entlockte diversen Keyboards sphärische Tupfer, während Tobi Born spürte, dass momentan nur wenige klare Gitarrentöne in die Palette passten. Da: Woher kam plötzlich der fette Bass? Fronza rief diese Tiefton-Loops ab, erreichte dabei zusammen mit Bruhns trickreich unterfütterter Beat-Verdoppelung eine ganz ungeheure Intensität. Auf diesen Groove legte er allerlei Melodisches mittels einer Art Outback-Okarina, gerade so, als seien Außerirdische auf einer Rave Party gelandet. „Ihr dürft sicher Euren Allerwertesten auf den Bänken bewegen“, tröstete Major Tom über verordnete Tanzabstinenz hinweg.

 

Fronzas orientalische Perkussion per Keyboard-Live-Loops – der geborene Italiener arbeitete schon mit persischen Rhythmikern – wurde bei der nächsten Performance wieder durch Bruhns real-intensives Schlagzeug ergänzt. Beides bildete den Teppich für den Zentralklang der analogen Vögel: das guttural-drohnenhaft dröhnende Didgeridoo: „Unsere stammen nicht aus Australien, sondern von Tim Brehme aus Lemgo“, wurde erläutert. Hypnotische Reggae-Klänge läuteten „Benefits Ill Gotten“ ein: „Das Trio sucht sich immer Musikstile, die zu unseren Didgeridoos passen“ – bei „Moondock“ war es pulsierender Techno, während „Aggro Agrar Agave“ Drum & Bass so ekstatisch feierte, dass sich der Tänzer am Rand des Auditoriums seine Orientierung auf der eins immer wieder erarbeiten mussten. Tobi Born zitierte inmitten des Orkans genüsslich die Western-Melodie „Wandering Star“ – nicht Portishead, sondern Lee Marvin! „Durch Alexander Liepans verdienten Urlaub kann die Kurzhalslaute Oud nicht zum Einsatz kommen“, so der seit 1997 versierte Didgeridoo-Meister Fronza. Dafür bestach Tobi Borns noch einmal mit gekonnten Gitarren-Riffs: auf „Deadline Dance“. „Das kann man richtig in die Länge ziehen“, betonten die Herforder-Köln-Bonner. Man hätte ihnen unendlich weiter zuhören können.

 

 

Rüdiger Baldaufs Trumpet Night feat. Silvia Dias         

Das Motto seiner Eröffnung, „Workin‘ Day & Night“ nahm der Kölner Trompeten-Veteran Baldauf (Paul Kuhn, James Brown, Heavytones) wörtlich: Rollend-relaxter Groove mit vielen Fills, Akzenten, Breaks, Bass-Solo geslappt gleich hier, warmer Hammond Sound und über allem der leitende Hornist. Der musste erstmal launig seine prominent besetzte Band anmoderieren, Ben-Zucker-Drummer Thomas Heinz, BAP, Maffay & Mutzke-Bass Marius Goldhammer, Marla-Glen und Stefanie-Heinzmann-Keyboarder Christian Frentzen sowie Brönner-Haffner-Gitarrist Bruno Müller an der Gitarre – sie alle füllen wie Soundmann Pit Lenz diverse europäische Musiklexika! Dabei waren die Trompeten-Gäste noch nicht einmal auf der 3-Ecks-Bühne: Joo Kraus sollte sich aber bald zu Baldauf gesellen und neben seinem ganz eigenen Klang auch mit samtener Stimme „Leaves On The Trees“ hauchen, beide Bläser kongenial ergänzt durch Lorenzo Ludemann zum Trumpet-Trio. Bei all dieser Perfektion & Emotion kam noch ein As aus dem Ärmel: Die mit Whitney-Houston-Vergleich geehrte und ungleich sensibler phrasierende junge portugiesische Sängerin Silvia Dias. Sie bewies dies sofort mit Houstons souverän vorgetragenen „He Fills Me Up“

 

Die nächste Herausforderung wartete sowohl auf Dias wie auf Gitarrist Bruno Müller: „Stell Dir vor, Du hättest keine Noten und solltest den nächsten Song wild einleiten“, lockte Boss Baldauf. Müller stieg sofort ein mit wildester Griffbrett-Akrobatik, die einem Jimi Hendrix zur Ehre gereicht hätte – schon bald erkannte das verblüffte Publikum das Riff vom Beatles-Klassiker „Come Together“, hart aber herzlich. Joo Kraus veredelte anschließend das von Michael Jackson bekannte „Man In The Mirror“ zur melancholischen Ballade, bevor Baldauf seine erste eigene Komposition „Funky No. 5“ („Sie gefällt mir noch immer!“) präsentierte – als tief Souliges à la „Theme from Shaft“. Aus seinem Beatles-Projekt STRAWBERRY FIELDS gab es „Back In The USSR“ als Instrumental, „Eight Day A Week“ als launigen Soft Funk.

 

Humoreinlage: Jacksons „Black Or White“ als Südstaaten-Country-Polka. Dann die ersehnte Rückkehr der Silvia Dias – für die Verzauberung von Stevie Wonders „I Can’t Help It“ mit großartiger Synth-Arbeit von Christian Frentzen. War das noch zu toppen? Yes! Die großartigen Trompeten kehrten zurück, und vor ihnen zelebrierte Bruno Müller „Gimme The Night“ als eine Art „George Benson on acid“ – wilder, elektrisierender und dabei ebenso sophisticated wie das Original.

 

Zugabe zum sehnsuchtsvollen Träumen: Was Silvia Dias aus John Lennons eigentlich überstrapaziertem „Imagine“ herausholte, hätte den sarkastischen Liverpooler einfach glücklich gemacht. So wie uns!

Uli Twelker für die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz