WdkK'25 - Der Montag:

Von Beach-Bar zu Bass-Boost: Gütersloh groovt sich wach 

 

Montagabend in Gütersloh – der Dreiecksplatz platzt vor Menschen. Eigentlich so ein Abend, der nach Sofa, Serien, null Restenergie klingt. Aber nicht hier. Hier war Beach-Bar statt Montagsblues. Wer sich zwischen Ständen, Bänken und Tischen einfand, landete mitten in einem Festivalauftakt, der seit 25 Jahren beweist: „klein“ ist bei der Woche der kleinen Künste nur die halbe Wahrheit. Denn klein ist hier höchstens die Tanzfläche. Der Rest? Groß. Riesig. Stimmung, Neugier, Sound. Schon der erste Abend hat klargemacht: Hier gibt’s kein „schauen wir mal“, sondern Musik, die kickt, schwitzt, hängen bleibt. Musik, die Montag wegfegt. Zwei Acts, die nicht unterschiedlicher hätten sein können: erst FADR/HAUFF mit ihrem vibrierenden Klanglabor aus Turntables und Bläsern. Danach MOLASS, die Neo-Soul entstauben, verdichten, neu erfinden. Das Publikum? Kein müdes Wippen, sondern volles Eintauchen. Schon beim ersten Ton war klar: Dieser Montag hatte locker das Zeug zum „ersten kleinen Freitag“ dieser Woche.

 

 

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 FADR/HAUFF – Zwei wie ein Stromschlag

 

Zwei auf der Bühne, hunderte im Flow. DJ FADR alias David Stammer baut Beats wie Lego – kantig, überraschend, immer mit der unbändigen Lust am Umwerfen. Neben ihm Julian Maier-Hauff, der Saxophon und Trompete durch den Abend jagt, als hätten die Instrumente Koffein getrunken. Mal fliegen die Töne wie Bälle im Park, mal liegen sie schwer über dem Beat wie eine Welle, die nicht zurückgehen will. Es knackt, flirrt, vibriert. Kein Hochglanz, keine Routine. Fragile Breaks, plötzlich ein Soul Schnipsel, ein James-Brown-Zitat, das sofort wieder verschwindet. Alles wirkt roh, unberechenbar – und genau deshalb so lebendig. Erst nickt das Publikum, dann tanzen die ersten, dann kippt der Platz: Gruppen, die eigentlich nur schauen wollten, wippen im Takt. Ein Kollektiv. FADR/HAUFF sind kein Entertainment, sie sind ein Zustand. Ein Experiment, bei dem alle mitmachen. Ihre Musik will nicht gefallen – und doch tut sie es. Vielleicht gerade deshalb. Sie reißt einen mit, raus aus Schreibtischköpfen, zurück an die Strandbar, egal ob Scharbeutz oder Ibiza. Und das klappt so gut, dass man glatt vergisst, dass es Montagabend in Gütersloh ist.

 

 

 

MOLASS – Neo-Soul mit Rückgrat

 

Dann dieser Bruch. Nach Beats und Bläsern wird es dunkel, dichter, ernster. MOLASS betreten die Bühne – und sofort kippt die Energie. Kein Showbombast, keine übertriebene Geste. Einfach Präsenz. Frontfrau Marissa Möller muss nichts erklären. Sie stellt sich hin, atmet, singt – und schon ist klar: Diese Stimme will nicht nebenbei laufen, sie will treffen. Kraftvoll, verletzlich, rau, brüchig – und dabei immer klar. Kein Glitter-Soul für Playlists, sondern Neo-Soul mit Gewicht, mit Haltung. Urban, organisch, kompromisslos. Die Band – Jan Lammert (Keys), Julian Schwiebert (Bass), Lambert Windges (Drums) – ist mehr als Begleitung. Sie sind Gesprächspartner. Jeder Ton hat Absicht, jede Pause zählt. Funk blitzt auf, Jazz mischt sich ein, Elektronik glitzert. MOLASS formen Soul neu: ernst, aber nie schwer. Groovend, ohne glatt zu sein. Das Publikum, eben noch im Tanzrausch, wird plötzlich still. Gespannte Körper, Gläser in den Händen wie Haltegriffe. Diese Musik fordert Raum. Sie ist nicht leicht bekömmlich – und will es auch gar nicht sein. Man merkt: MOLASS sind längst kein Geheimtipp mehr. Future Sounds Award, Moers Festival, Leverkusener Jazztage – das ist kein Zufall, das ist Konsequenz. Wer diesen Auftritt erlebt hat, weiß: Das ist kein Hobbyprojekt, das ist eine Ansage. Kompromisslos. Ehrlich.

 

 

 

Ein Montag, der nach Wochenende schmeckt

 

FADR/HAUFF haben Funken geschlagen, MOLASS dem Platz Schwerkraft verliehen. Zusammen war das mehr als ein Auftakt – es war ein Montag, der sich nach mehr anfühlte. Oder nach Urlaub. Oder einfach nach der Gewissheit: Diese Woche der kleinen Künste wird spannend und vielfältig. Sie wird groß.

 

Birgit Compin, Buchautorin und Journalistin für die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz