WdkK'18 - Der Montag:

Die Nacht  der krassen Kontraste
Wenn schon ein eklektisches Blasorchester Swing, Klassik, Comedy und Dixieland unter ihre elf Hüte bringt, dann aber auch die Nacht gleich komplett den Wall-of-Sound-Wechselbädern widmen und mit Marvin Brooks noch karibische und afrikanische Grooves hinzu addieren.

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Marvin Brooks  – „Warum verwöhnt Ihr uns so?“
Den Jamaikaner hätte man ihm nach wenigen Takten gelaubt, aber Brooks ist Deutscher, hat Ghana über seine Mutter im Blut und seine Band aus dem Schmelztiegel Köln generiert: Faiz Mangat liefert verträumte, liebkosende Beckenarbeit, gefolgt von harten, hypnotischen Beats – plötzlich ist es Reggae, präzise durcharrangiert, mit überraschenden Breaks, Chill-Passagen. Seine afrikanischen Rhythmen leben von synkopierten Snare-Mustern. Gitarrist Thomas Dernier-Klein gelingen dazu melodische Bögen westafrikanischer Leichtigkeit, Soli frei und kreativ nach seinem Vorbild David Gilmour. Dann wieder hypnotische Riffs, gern auch im Off-Beat. Keyboarder Jan Klingenberg liefert exotische Klangflächen und macht am Moog-Synth einen Bassgitarristen überflüssigem – und das in diesem Metier. Blickkontakt zu Faiz spricht Bände! Derart eingebettet, legt Brooks mit Charme & Elan seine Songs vor, wiegt sich elegant im Takt. Sein “The Strongest Survive“ bleibt allen im Ohr. „Unity“ hat einen Touch von Bob Marley: “We are one, one, one“, bringt er der Menge charismatisch bei, lässt GT bei „Désolé“ („Mein Französisch ist genauso miserabel“) mitsingen „Je ne parle pas Francais“. Das „Warum verwöhnt Ihr uns so?“ der Band bezieht sich auf den Publikums-Hunger nach ihren Live-Klängen ebenso wie auf das gelobte Backstage-Catering.

Berlin Brass Berlin – viele kleine Künste – elf große Könner
Als das aus Opern-, Sinfoniker- und Big-Band-Buffs bestehende knappe Dutzend mit “When The Saints“ wie New Orleanians auf die Bühne marschiert, sind die Dreiecks-Bürger noch verhalten. Werden die Herren punkten? Kaum hat Sänger/Dirigent/Vibraphonist Thomas Hoffmann von der Deutschen Oper Berlin – der launige Vollschlanke mit den Pfeifen und der Mini-Percussion an der Brust, wo andere ihre Orden haben – des Katchaturians Säbeltanz mit ekstatischem Schlägel-Wirbelwind angezettelt, folgen ihm Orchester und Zuschauer spürbar. Richard Wagner zwischen Lohengrin und Fliegendem Holländer dampfen diese rasenden Routiniers wie versprochen von 21 auf 4 Minuten ein – noch stärker sind Samba und Swing: “Tico Tico“ mit Piccolo-(Flöten)-Party von Andreas Spannagel, der seinen Chef wie einen Boxer ansagt: „Misteeeeeer Thomas…“  
Sensationell auch ein von Friedrich Milz zelebrierter “Posaunen-Strip“ anlässlich des “12th Street Rag“ mit gleich drei Klarinetten. Der Walt-Disney-Hit “I Wanna Be Like You“ samt Opernchor, Brass & Scat-Gesang, bei dessen „Swing to the left, swing to the right“ Gütersloh willig mitwinkt. “1 O’Clock Jump“ mit Hand-Jive-Choreo an den Trompeten und betörender Balladen-Einlage „Lil‘ Darling“! Schließlich Goodmans “Sing Sing Sing“ als Tobias Schillers Klarinetten-Highlight mit Anfeuerung zu Höchstfrequenzen, während Drummer Sven Kalis ein Solo zaubert, das auch Verwöhnte in seiner swingend wirbelnden Leichtigkeit baden lässt.
Warum gibt’s meist nur Musik am 3-Eck? Bedeuten die „Kleinen Künste“ nicht mehrere Dimensionen? Hier hagelt es gekonnt Vaudeville, sinfonische Dramatik, Dschungel-Rhythmen, Samba zum Brasilianer-erblassen-Lassen, heiße Bläsersätze links und rechts des rhythmischen Kompetenz-Zentrums. Alle strotzen klanglich vor Professionalität – den Knallchargen-Slapstick, die Heinz-Erhard-Verse, Witze, Pfeifen, die Pistolenschüsse und Ratschen-Klatschen des “Misteeeeeer“ Hoffmann gibt’s obendrauf:

 

Uli Twelker für die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz