WdkK'17 - Der Freitag:

Blues Darling & Soul Diva!
Wetterzauber: Verlassen sich selbst ernannte Dreiecks-Druiden zu sehr auf ihr Weglach-Voodoo bei unserem Montags-Monsun? Oder tendieren sie zu dem Motto „Same procedure as every day – with ladies“? Jedenfalls hört der Freitagsregen rechtzeitig vor der Show auf, wie bei Madeline am Dienstag und bei Sarajane/Yasmin/Joscheba/Emma/Lisa am Mittwoch. Nur dass es trotz Sonnenschein einen Nachschlag gibt, der aber buchstäblich niemanden vom wieder satt gefüllten „Triangle Square“ treibt.
Kurz vor dem Ende der Woche der Kleinen Künste (schade) sind die Ergebnisse unseres stilbezogenen Psychologen-Polls da: Nur etwa 50% der Musikpower auf unserer Bühne basiert auf Talent, Proben und natürlicher Präsenz (Blues 48%, Jazz 46%, Soul 51% etc). Der Rest geht auf das Geborgenheit ausstrahlende Catering von Birgit, Belinda, Ingrid, Annette und Julia zurück. Well done, girls! –
Wie kann man sich nur gleich zwei Damen aus Paris für das Finale einladen? Das Ergebnis erscheint frappierend: Kontrastierende Richtungen & Darbietungen, höchste Qualität auf verschiedenen Ebenen - bei absolutem Premium-te-Kaat-Sound!

Copyright MPRESS Peter Heermann

Gaelle Buswel
Die große, schlanke, blonde und agile Singer/Songwriter-Gitarristin tobt auf die Bühne und lächelt ins Auditorium, als sei sie noch nie im Leben auch nur für eine Sekunde von jemandem geärgert worden. Die swingt in sich, ein Glücksradiator: Schon beim Soundcheck hatte es bei der Technik-Crew Laola-Wellen und Tanz-Ekstase gegeben, nun steigt sie samt Band in „Dream Set Me Free“ ein, und man ist nach drei Takten aufmerksam, adrenalisiert, behält die Melodie im Kopf, ebenso wie beim leicht Aerosmith-Riff-behafteten „Freedom Tonight“.
Das herrlich Country-lastige „Wonderland“ beginnt Madame Buswel auf der Akustischen fast wie „Proud Mary“ – der Ohrwurm wird veredelt durch ein feines Slide-Gitarrensolo von Michaal Benjelloun, einer sympathischen Mischung des frühen Grateful Dead-Heads Jerry Garcia mit der Chlodwig-Poth-Comic-Figur aus „Mein progressiver Alltag“, der sich wie Gaelle selbst blind auf die Rhythm Section aus Xavier Zolli (b) und Steve Belmonte verlassen kann. Für „Black Delta Dirt“, einen Countryblues, wird das Tempo zurückgenommen, Gaelle und Michaal harmonieren zweistimmig, Gänsehautfeeling.
Die Buswel sucht nicht etwa den Kontakt zum Publikum. Sie hat ihn! Kommt ganz nach vorn auf die Rampe, schaut in die Runde; du wirst als Mann auch auf 50 Meter Entfernung rot. „25 Hours“ vom nagelneuen NEW DAY’S WAITING wird per kontrolliertem Feedback eingeführt und bestätigt das Rezept, bestens abgehangene Riffs für maximalen Effekt aufzupimpen. Ihre Inszenierungen sind über jeden Verdacht eines Vintage-Gitarren-Werbeblocks erhaben – großes Kino: Bei „Selfish Game“ etwa kommt Michaal mit einer roten Alvin-Lee Gibson ES-335 nach vorne, für ein zart-erotisches Solo. Gaelle hält sich derweil hinten mit ihrer weißen Fender Telecaster bereit. Nach Ende des Solos treten Buswel & Zolli wie die alten ZZ Top-Hüte nach vorn, geil! Immer wieder locken Stadion-Mitsing-Chorchancen, die nie gestelzt verlangt, aber dafür mit diebischer Freude registriert werden.
Kontraste: Um Gaelles liebestrunkenes „Makers Of Love“ an der akustischen Gitarre die optimale Wirkung zu verleihen, wechselt Michaal zur Mandoline, Zolli zupft eine niedliche Bass-Ukulele, Steve wechselt zu Snare & Shaker. Aber genug der Romantik, nun gibt es kein Halten mehr: „Mean Green Shadow“ hat einen Touch-Hendrix-Trower, „So Blue“ liegt gefährlich nahe an „Brown Sugar“. Nach „I Don’t Need Nobody“ fällt beim folkigen Encore „Soldiers Of Love“ solider Regen, aber da haben Gaelle Buswel und ihre Jungs bereits zweitausend neue Freunde gewonnen. So liebenswert, hochmelodisch und vertraut, als seien Gaelle Buswell und Boys seit Jahren unsere Lieblingsband.

Y‘akoto
Der Sequencer lässt kindliche Schulhofstimmen erklingen, darauf wird ein schwerer, leicht angefunkter Beat gelegt: Y’akoto beginnt mit „Take Me Back“ vom neuen Album MERMAID BLUES. Für das perkussiv anmachende „Moving“ vom Erstling BABYBLUES gesellt sie sich kräftig verhallt zum Konservenchor. Schnell wird klar: Die hochprofessionelle Musikerin, Komponistin und Tänzerin versucht den Spagat – zwischen einer perfekt abgespulten Show und dem Preisgeben persönlicher und biografischer Details: „Ich wollte nie etwas anderes, als Songs für die Menschen zu schreiben, die mich bewegen“, so kündigt sie „Reception“ an, singt mit melodramatischer, stets pulsierender Stimme – an ihre Heldin Sade angelehnt und „mit dem Tremolo von Duffy“, wie Teamkollege John ergänzt.
„Es gibt keinen Grund, verhalten zu sein“, kommentiert die zwischen Pastell und knallig gelb gewandete Diva das abwartende Publikum, führt ihr hervorragend ausgeschlafenes, ganz unverschämt soulig groovendes Quartett (g, kb, b. dr) in ein 6/8 Blues-Pattern: „Come, come come“, haucht sie lasziv und scheut sich auch nicht, abseits des Dramas ekstatisch und ausgelassen zu tanzen. „Liebe zu Euch!“ – „Talk To Me“ richtet sich mit einem extrem flehenden Chorus an alle Männer, die nicht reden: „Mein letzter Freund hat so wenig geredet – ich merkte nicht, dass er auf Männer stand“, Drehbuch oder Bio? Egal, die Musik ist klasse. „Gütersloh, do you like Soul?“ We love it. Freuen uns über das Kompliment, dass wir so wild sind, und genießen zum Soul ein Feuerwerk im Hintergrund.
Dann der Zwischenfall: Y‘akoto hört plaudernde Gütersloher: „Ich hab‘ Euch hier in meinem Monitor – kommt hoch, wenn Ihr Gütersloh was zu sagen habt!“ Gleich darauf das Kompliment, dass Kleine Künste wichtig sind, um den Kopf oben zu behalten, und ein wunderschöner Akustiksong „We Walk The Line“. Bald inszeniert sich die wirklich hervorragende Soul-Interpretin als Amy Winehouse für Teenager: Die 29-jährige ghanaisch-germanische Tochter eines Musikers und einer Politologin fragt sich für „Who I Am“, effektvoll nur von akustischer Gitarre begleitet „Wo komm‘ ich her? Aus der Gosse! 10 Jahre Bühne, 3 Alben, danke, dass Ihr gekommen seid.“.
Bei „Fool Me Once“ aus dem Kinofilm WILLKOMMEN BEI DEN HARTMANNS kommt von Y’akoto die Anweisung „Licht aus auf der Bühne!“, worauf Frank Stiller sie tiefrot eintaucht und Laserbändchen sowie Handylichter wunderbar zur Geltung kommen. Als sie für „Diamonds“ die Parole ausgibt „Dann muss man sagen ‚Scheiß drauf‘, jetzt wird gefeiert“, scheint unser Auditorium mit dem Wechselbad von sanft zu saftig überfordert. Party-Time gelingt dann aber hervorragend beim Calypso-getränkten „Bambi“, und ebenso ausgelassen geht es für „Comme Ci Comme Ca“ mit einem Discobeat weiter, der in härteren Rock mündet.
Hat sie zur Zugabe wirklich gesagt „Ich bin schockiert – das muss ich meiner Mama erzählen“? Es lohnt sich nochmal: „Maggie“ mit exquisitem Acoustic-Picking ist „für alle schwarzen Frauen, die für ihre Kunst nicht anerkannt werden“. Den akustischen Walzer „Sunday“ widmet Y’akoto dem Familientag, an dem man nicht alleine sein mag – im Publikum wird mitgesungen. Dann der wirklich ekstatische „Abriss“ mit dem federleicht afrikanisch treibenden, „Without You“. Y’akoto kann viel, erreicht viel, aber sie will auch viel. Was kann daran falsch sein? Unvergesslich ist sie allemal.

Uli Twelker für die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz