WdkK'23 - Der Mittwoch:

Heißer Sommer-Flirt im Rausch der Sinne

 

Hier die absolute Grenzüberschreitung, da die Harmonie in wohltuender Vollendung. Der Mittwoch kam über den Dreiecksplatz wie ein einzigartiger Rausch für die Sinne. Während eine knallige Mixtur aus Jazz und Punk von jetzt auf gleich so manche Besucher*innen in Ekstase versetzen konnte, glitten wir im zweiten Set durch eine wunderbare Neuinterpretation des West-Coast-Pop hinein in ein berauschendes Hippie-Feeling, geradewegs dem Sonnenuntergang entgegen – und wischten damit auch die letzten bedrohlichen Wolken fort.

Copyright MPRESS Peter Heermann

Botticelli Baby: Jazz goes Punk against all rules

 

Wenn Jazz und Punk aufeinandertreffen, gibts nicht viele Möglichkeiten: sie hassen oder lieben sich. In dem vorliegenden Fall bekamen sie sogar Nachwuchs! Wie der klingt, zeigte uns Botticelli Baby ab der ersten Note.

 

Schweißtreibend. Tanzbar. Mitreißend.

 

Die sieben Musiker aus Essen haben es geschafft, uns bereits in den frühen Abendstunden zum Wahnsinn zu treiben – im besten Sinne des Wortes! 

 

Während sich die Typen auf der Bühne die Seele aus dem Leib spielten, machten mehr und mehr Besucher*innen vor der Bühne das, was sie wollten. Sie tanzten, schwitzten, pogten – und der eine oder die andere fragte sich vielleicht genauso wie ich: Wie geht das? Wie kann diese bereits fruchtbare Fusion aus Jazz und Punk obendrein so bravourös Swing, Funk und Balkan Pop zusammenhauen, dass die Beine einfach nicht stillstehen wollen? Mir schwant, bei Botticelli Baby ist die Nachwuchsplanung noch lange nicht abgeschlossen.  

 

Ein Eindruck, den nicht zuletzt die laszive Art von Sänger und Kontrabassist Marlon Bösherz befeuerte. Seine rasende, lustvolle Präsenz war es, der sich wohl nur wenige Besucher*innen entziehen konnten. „Der ist wie Mercury, rief eine Freundin mir zu. „Der ist Sex pur!, meldete sich ein Tänzer vor der Bühne. Nun, was auch immer es war, dieser Typ auf dem Podest hatte es auf jeden Fall.

 

Und so peitschte an diesem frühen Abend eine geniale Mixtur aus Jazz, Punk und allem, was dazwischen liegt, über den Dreiecksplatz. Doch dieser geniale Pakt der Stile hatte viele Kinder: Da war die so unverschämt daherkommende punkig-toughe Stimme des Sängers. Dann dieses überschäumende freche Zusammenspiel von Piano, Drums, Bass, Gitarre, Trompete, Posaune und Saxofon. Es war die verführerische Synergie all dieser coolen, unterschiedlichen Typen, die so perfekt harmonieren und sich auf der Bühne genauso zu amüsieren schienen wie ihr Publikum davor. Am Ende scheint es genau diese Mischung zu sein, die matcht und uns alle auf die eine oder andere Art elektrisierte.

 

Was die Jungs von Botticelly Baby auf dem Dreiecksplatz ablieferten, war eine gnadenlose Abrechnung mit dem Gängigen, mit dem, was man üblicherweise erwarten darf. Es war „against all rules!

 

 

Young Gun Silver Fox: West Coast zum Träumen

 

Noch so ein Baby, das längst flügge geworden ist. Ganz verliebt war ich schon vor Jahren in eine Band, die mich mit ihrer Leichtigkeit in Stimme und Sound durch so manche Sommermonate getragen hatte und selbst die trübsten Tage in ein zauberhaftes Licht zu tauchen vermag. Die britische Soul-/Pop-Formation Mamas Gun hat seit Jahren einen festen Platz auf meiner All-Time-Playlist.

 

Young Gun Silver Fox: Das Kind ist flügge geworden!

 

Jetzt kam also das Kind, ein junges, erfrischendes Projekt von Bandleader Andy Platts nach Gütersloh. Und hier verbindet sich „Young Gun-Andy mit dem aus Kansas stammenden Multiinstrumentalist Shawn Lee zu dem kongenialen Duo „Young Gun Silver Fox!

 

Was für ein perfekter Abschluss dieses einzigartigen, noch lange in Erinnerung bleibenden Abends der WdkK! Völlig unaufgeregt standen da zwei musikalische Allrounder auf der Bühne, die den Dreiecksplatz mit ihrer jazzig souligen Pop-Mixtur in einen fernen Ort irgendwo an der Westküste Kaliforniens verwandelten. Da erstaunt es überhaupt nicht, dass bei so manchem im Publikum diese wohlig warmen Erinnerungen an die West-Coast-Ära der 1970er Jahre wachgerufen wurden. Und so wehte mit Young Gun Silver Fox auch ein Hauch von Doobie Brothers durch die Abendluft. Bands wie Chicago und America sendeten beste Grüße aus dem Golden State – und selbst die unvergessenen jazzigen Steely Dan glitzerten wie kleine Sterne am Abendhimmel über uns. Allesamt schienen sie irgendwie dabei, als Andy Platts und Shawn Lee gemeinsam mit Adrian Meehan an den Drums und Paul Housden am Bass uns zeigten, wie aktuell und genial ihre Neuinterpretation dieses berauschenden musikalischen Hippie-Feelings heute sein kann: Leichtfüßig und beschwingt, verpackt in instrumentale Perfektion und exzellente Harmonie – und natürlich zum Mittanzen geboren.

 

Alles zusammengenommen war dieser Abend ein heißer Sommer-Flirt und man konnte sich gar nicht entscheiden: Waren es die schweißtreibenden Grooves und sexy Performance oder eher die verträumten Töne, denen man am Ende erliegen wollte? Nun, meine Wahl fällt eindeutig aus: Ich entscheide mich, immer noch vollkommen berauscht – „against all rules“ – für beide!

Birgit Compin, Autorin und freie Journalistin für die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz